Big in 日本

Things are easy when you're big in Japan

Mit dem Regenschirm zur Sonnengöttin

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Japan, das Land der aufgehenden Sonne. Eine Bezeichnung, die mehr ist als nur ein Klischee, denn selbst die Japaner nennen ihre Heimat 日本 (Nihon, auch Nippon), Ursprung der Sonne. Kein Wunder also, dass das japanische Kaiserreich eine besonders innige Beziehung zur Sonnengöttin Amaterasu hat. Der Legende nach schickte die Göttin vor vielen tausend Jahren ihren Enkel auf die Erde nieder, um in ihrem Namen als Tenno („Himmlischer Herrscher“) über Japan zu regieren. Der Schrein zu Ehren Amaterasus in der kleinen Stadt Ise gilt als das höchste Heiligtum des Landes und wird bis heute regelmäßig von der japanischen Kaiserfamilie aufgesucht.

Die Brücke über den heiligen Fluss Isuzu

Die Brücke über den heiligen Fluss Isuzu

Obwohl das Wetter den Eindruck vermittelte, als habe sich die Sonnengöttin einen Tag frei genommen, brachen wir am vergangenen Sonntag nach Ise auf. Nachdem wir die etwa zwei Stunden Zugfahrt überstanden hatten, führte uns unser Weg zunächst zum Geku, dem äußeren Schrein. Dieser ist nicht Amaterasu, sondern der Fruchtbarkeitsgöttin Toyouke gewidmet. Der Legende nach wurde diese vor 1500 Jahren nach Ise gerufen, um der Sonnengöttin heilige Speisen darzubringen, was jeden Morgen und Abend zeremoniell begangen wird. Vom Geku ging es dann weiter zum Naiku, den inneren Schrein, der an dem heiligen Fluss Isuzu gelegen ist. Durch dessen Überquerung sollen die Gläubigen vor dem Besuch des Schreines von Unreinheiten befreit werden.

Der Aufbau von Naiku und Geku ähnelt sich sehr, wobei ersterer etwas größer ist. Beide Schreine sind in einem hübschen Wäldchen gelegen, in dem uralte und riesengroße Zypressen wachsen. Der leichte Regen, über den ich mich am Morgen noch geärgert hatte, entfaltete hier tatsächlich eine besondere Atmosphäre, die auch von den vielen Besuchern kaum gemindert werden konnte. Hinzu kam die besondere religiöse Bedeutung des Ortes, die an vielen Stellen zu spüren war. Tatsächlich werden die Schreine als so heilig erachtet, dass jeweils nur der vordere Teil betreten werden darf – selbst die Priester kommen in der Regel nicht viel weiter. Fotos sind nicht erlaubt und hohe Zäune schützen Geku und Naiku vor allzu neugierigen Touristen.

Der ehemalige (und zukünftige) Standort des Geku, daneben das gegenwärtig genutzte Heiligtum

Der ehemalige (und zukünftige) Standort des Geku, daneben das gegenwärtig genutzte Heiligtum

Doch nicht nur seine religiöse Bedeutung macht den Ise Jingu zu einem einzigartigen Ort, auch zwei sehr handfeste Besonderheiten unterscheiden ihn von anderen Schreinen. Zum einen ist hier der ungewöhnlich archaische und farblose Baustil zu nennen, der an die Architektur der Yayoi-Zeit (ca. 5. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) angelehnt ist. Der Schrein erhebt Anspruch auf eine 2000 Jahre alte Tradition und bemüht sich sehr um einen möglichst authentischen Baustil, weswegen auch vollständig auf die Verwendung von Metall verzichtet wird. Die andere Besonderheit von Ise ist, dass sowohl Geku als auch Naiku etwa alle 20 Jahre „umziehen“. Begleitet von penibel durchgeführten Ritualen werden die Schreine vollständig ab- und nur wenige Meter entfernt wieder aufgebaut. Sämtliche Bauteile werden dabei neu angefertigt, nichts wird wiederverwendet. Den genauen Grund für dieses extrem aufwändige und kostspielige Unterfangen kennt niemand so genau. Es wird allerdings angenommen, dass auf diese Weise der lebensspendende Kreislauf der Natur nachempfunden werden soll.

Nach dem Besuch des Schreins und einer kleinen Stärkung im nahegelegenen Städtchen (Ise Soba sind köstlich!), fuhren wir schließlich noch mit dem Bus zur nicht weit entfernten Pazifikküste. Unser Ziel waren die Meto-Iwa, die „verheirateten Felsen“. Das Paar aus einem großen und einem kleinen Felsen, die durch ein Shimenawa (ein Bannseil aus Reisstroh) verbunden sind, gilt als Heiligtum und als Verkörperung des göttlichen Schöpferpaares Izanagi und Izanami. Als wir jedoch die Meto-Iwa erblickten, brachen wir allesamt in schallendes Gelächter aus, denn die Felsen sind deutlich kleiner als man denken würde. Nichtsdestotrotz boten die beiden Steine inmitten der vom Regen aufgerauten pazifischen See einen sehr beeindruckenden Anblick.

Die "verheirateten Felsen" inmitten der pazifischen See

Die „verheirateten Felsen“ inmitten der pazifischen See

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