Big in 日本

Things are easy when you're big in Japan

Füchse, Weihrauch, Totgeburten

Ein Kommentar

Das Torii am Eingang zum Yoshida Schrein

Das Torii am Eingang zum Yoshida Schrein

Japaner – das sind moderne Samurai in perfekt sitzenden Anzügen, zuckersüß guckende Mädchen in bunten Kimonos oder auch irre Freaks mit einer Vorliebe für abgedrehtes Fernsehen und seltsames Essen. Kaum jemand denkt dagegen bei Japan an eine zutiefst religiöse Gesellschaft, deren alltägliche Kultur durchdrungen ist von allerlei Riten und Symbolen – besonders nicht die Japaner selbst. Das liegt wohl vor allem daran, dass das westliche Konzept von Religion kaum auf Japan anwendbar ist, geht es hier doch weniger um den individuellen Glauben als vielmehr um das tägliche Aufrechterhalten von Traditionen. Für viele Japaner ist der Besuch des Schreins an Neujahr oder die Opfergabe an die Ahnen kein religiöser Akt, sondern einfach normales Verhalten.

Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, dass in Japan die Grenzen zwischen den einzelnen Religionen sehr verschwommen sind. Anders als in Europa stellt es hier keinen Widerspruch dar, sich an Riten verschiedener Glaubensrichtungen zu beteiligen und sowohl zu den japanischen Göttern (kami) als auch zu den Buddhas zu beten. Zu diesen Besonderheiten der japanischen Glaubenswelt werde ich später noch mehr erzählen. In diesem Beitrag möchte ich euch zunächst von meinen ersten Kontakten mit den Religionen Japans berichten.

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Auch natürliche Elemente wie Steine können im Shinto heilig sein

Shinto („Weg der Götter“) ist ein erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gebräuchlicher Begriff für eine Religion, die aufgrund ihrer Vielseitigkeit und Vermischung mit anderen (vor allem buddhistischen) Traditionen kaum als solche bezeichnet werden kann. Dennoch ist die Verehrung der einheimischen Götter, die sich hinter diesem Wort verbirgt, für das alltägliche religiöse Leben in Japan von größter Bedeutung. Die Kami finden sich überall im Land, manchmal in Form natürlicher Elemente wie Tiere, Steine, Flüsse oder Berge, manchmal als menschlich dargestellte Gottheiten mit bestimmten Funktionen, vergleichbar mit den Göttern des antiken Griechenland. So unterschiedlich wie ihre Erscheinungsformen sind auch die Verehrungsorte der Kami, manche bestehen aus gigantischen Schreinen, manche lediglich aus einem Bannseil (shimenawa), das um einen Stein oder Baum gespannt wurde.

Der Yoshida Schrein

Das große Torii markiert den Zugang zum Innenbereich des Yoshida Schreins

Das große Torii markiert den Zugang zum Innenbereich des Yoshida Schreins

Auch wenn wir schon nach kurzer Zeit mehrere Schreine gesehen hatten (gerade in Kyoto befinden sich diese buchstäblich an jeder Ecke), war unser erster echter Besuch der des Yoshida Schreins in der Nähe unseres Hauses. Wie bei fast allen Schreinen war der Zugang durch einen großen roten Torbogen (torii) markiert. Sobald man diesen durchschreitet, ist man im Reich der Götter – ein seltsames Gefühl, wenn man sich das beim Betreten vergegenwärtigt. Die Torii variieren in der Größe und sind oft noch durch Shimenawa (Reisstrohseile mit weißen Papierstreifen) ergänzt, die schädliche Kräfte fernhalten sollen.

Die rituelle Reinigung vorm Betreten von Schreinen und Tempeln

Die rituelle Reinigung vor dem Betreten von Schreinen und Tempeln

Vor dem Betreten des Schreins ist es wichtig, die Hände und den Mund mit Wasser zu säubern, denn Reinheit ist ein zentrales Element im Shinto. Je weiter man sich dem Inneren des Tempels nähert, desto mehr Torii durchquert man, bis man schließlich das Allerheiligste vor sich hat, zu dem nur die älteren Priester Zugang haben. Dort befindet sich häufig der Name des Gottes, der dessen Anwesenheit repräsentiert. Vor dem Heiligtum können die Gläubigen den Kami durch Gebete und Spenden um dessen Gunst bitten. Der Ablauf, bestehend aus dem Schlagen einer Glocke, Verbeugungen und Händeklatschen, ist fest ritualisiert. Außerdem können von den Priestern Talismane und Weissagungen erworben werden.

Im Falle des sehr großen Yoshida Schreins befinden sich außerhalb des Hauptschreins noch diverse andere kleinere Schreine. Zu einem der schönsten davon führte uns der Weg durch einen von zahlreichen Torii und einigen Inari-Statuen (Füchse, die als Götterboten fungieren) gesäumten Pfad, der schließlich in einem hoch gelegenen kleinen Wäldchen mit wunderschönem Ausblick auf Kyoto mündete.

Der Tempel Shinnyo-do

Jizo, Patron der verstorbenen Kinder

Jizo, Patron der verstorbenen Kinder

Nach dem Besuch des Yoshida Schreins führte uns der Weg zum Shinnyo-do, einem Tempel für den in Japan sehr beliebten Buddha Amida. Nach der Lehre des Amidismus erhalten alle, die Zuflucht bei Amida suchen, nach dem Tod Zugang zum Reinen Land, dem paradiesischen Reich dieses Buddhas. Doch das erste, was wir nach dem Betreten des großen Tempeltores sahen, war nicht etwa eine Statue Amidas, sondern ein Torii, das zu einem shintoistischen Schrein führte – ein schönes Beispiel dafür, wie untrennbar verbunden die Religionen Japans sind.

Der Tempel selbst beeindruckte uns vor allem durch die große Pagode (ein Aufbewahrungsort für Reliquien) und die prachtvolle Haupthalle, in der Gläubige Räucherstäbchen und Kerzen anzünden und zu Amida beten können – leider waren hier Fotos verboten. Neben der Haupthalle fanden sich verschiedene Statuen von Amida und vor allem Jizo, einem in Japan überaus beliebten Bodhisattva (jemand, der Erleuchtung erlangt, jedoch aus Mitgefühl auf das Eingehen ins Nirwana verzichtet hat und sich stattdessen der Unterstützung anderer Menschen widmet). Als Patron für verstorbene Kinder wird Jizo vor allem von Frauen aufgesucht, die eine Totgeburt oder eine Abtreibung erfahren haben. Aus diesem Grund finden sich an seinen Statuen häufig kleine Lätzchen, die, je nach Erzählung, den Kindern im Jenseits als Bekleidung dienen oder Jizo bei der Suche nach ihnen helfen sollen.

Buddhistische Grabsteine

Buddhistische Grabsteine

Der Tod ist in Japan traditionell eine buddhistische Angelegenheit und so ist der gesamte Tempel von einem gigantischen Friedhof umgeben, der mich zutiefst beeindruckt hat. Die Verstorbenen werden in Japan nach buddhistischem Ritus verbrannt und in steinernen Gräbern bestattet, die häufig die Urnen der gesamten Familie beherbergen. Im Shinnyo-do wurden diese sich vielfach in Größe und Form unterscheidenden Grabsteine auf einem Berghang mit wunderschönem Blick auf Kyoto angeordnet.

Mit dem Tod endet nicht nur das Leben, sondern auch dieser ziemlich umfangreich gewordene Blogeintrag. Ich hoffe, ich konnte euch eine erste Vorstellung von der japanischen Glaubenswelt vermitteln. In späteren Beiträgen werde ich sicherlich auf dieses Thema mehrfach zurückgreifen, immerhin widmet sich mein Studienaufenthalt hier in Kyoto vor allem den Religionen Japans.

 
Hier findet ihr noch einige weitere Impressionen unserer ersten religiösen Erkundungstour. Ich hoffe, der Artikel hat euch gefallen, demnächst gibt es mehr. Bis dahin noch eine schöne Zeit und Gruß aus Japan! じゃまた!

Ein Kommentar zu “Füchse, Weihrauch, Totgeburten

  1. Sehr beeindruckend, danke. Bringt mir die Japaner mit ihrer Kultur sehr viel näher.
    Sicherlich sehr spannend für Euch. Lieben Gruß an die anderen 2 Beiden 🙂

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